Weinwissen

 

Erläuterung des Fachbegriffes Ganztraubenpressung:

 
Das Wort sagt bereits alles. Es bezeichnet eine Methode der Weißweinbereitung:
Der Winzer presst in diesem Fall die ganzen Trauben, die zuvor nicht abgebeert wurden. Üblicherweise werden nämlich nach der Anlieferung im Weinkeller die Beeren von den Stielen getrennt und dann gemahlen. Das bedeutet, dass sie von zwei Gummirollen, die sich gegeneinander bewegen, angequetscht werden. Die Zellen des Fruchtfleisches brechen auf und etwa 30 Prozent des Mostes fließt ab. Vorlaufmost heißt das. Doch allein davon kann kein Winzer existieren. Deshalb presst er die Maische, also das Gemisch aus Flüssigkeit (Saft) und Feststoffen (Beerenhäute, Fruchtfleisch, Kerne) anschließend vorsichtig ab. Üblich bei Weißwein sind pneu-matische Pressen, bei denen unter geringem Druck die Beeren zerdrückt werden und der Most durch die perforierten Wände im Innern des Presszylinders ablaufen kann. Je länger und je höher der Druck, desto mehr sinkt die Qualität des Mostes. Spitzen-winzer geben sich daher mit maximal 70 Prozent der möglichen Mostmenge zufrieden.

Warum also die ganzen Trauben pressen? Vor dem Pressen auf das Trennen der Beeren von den Stielen zu verzichten, ist vor allem in der Champagne gebräuchlich: Es garantiert einen besonders reintönigen delikaten Most. Da die Stielgerüste der Trauben auf der Presse eine Gitterstruktur bilden, die dem Druck weitgehend stand-hält, bleiben die Traubenkerne in den Hohlräumen zwischen den Stielen verborgen.
Sie werden nicht mit ausgepresst – weniger Bitterstoffe gelangen in den Most.

Und wozu das Ganze? Weil die Beeren, wenn sie aus der Traube entfernt werden, unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen werden – und der Abrieb der Beerenhaut enthält Gerb- und Bitterstoffe, die in manchen Weinen unerfreuliche Geschmacks-noten erzeugen und gelegentlich als so genannter Feintrub die Optik stören. Der Trub lässt sich mit der Ganztraubenpressung immerhin um fast zwei Drittel reduzieren, was hernach eine sanftere Filtrierung erlaubt – oder das Filtern gar überflüssig macht.

Doch ist über allen beschriebenen Nachteilen auch dieses zu berücksichtigen: Die Beerenhäute enthalten nicht nur Unzuträgliches, sondern auch Substanzen die – wenn sie der Kellermeister für den Wein denn erschließt – später vom Genießer als „Extrakt“ gerühmt werden (anzumerken ist, dass unter Extrakt sehr Unterschiedliches verstanden wird; hier wird der Begriff nur als Geschmacksbezeichnung verwendet).
Gepresste Maische – also die Pressung nach der traditionellen Methode – ergibt einen kraftvollen Most, nach Meinung mancher Kellermeister sogar einen haltbareren Wein. Das jedoch ist bislang unbewiesen. Ob der Winzer die Technik anwenden sollte oder nicht, lässt sich nur durch Ausprobieren entscheiden. Nicht zu verstehen ist daher, dass manche Betriebe damit werben, die ganzen Trauben per Druck um ihren Saft zu erleichtern. Manch hervorragender Erzeuger hat sich von dieser Methode längst wieder abgewandt.
Geradezu zwingend ist die Ganztraubenpressung aber bei weißen Schaumweinen aus dunklen Trauben, da sie die Rotfärbung des Mostes vermeiden hilft; die Trauben mancher Süßweine aus spät gelesenen, edelfaulen Beeren, werden gleichfalls im Ganzen gepresst.

Quelle: Autor Gero von Randow aus Wein Gourmet Heft3/2004